I like to be in America!
O.K. by me in America!
Ev'rything free in America
For a small fee in America!
— West Side Story
Einspruch!
Abgelehnt.
Ausnahme!
Zur Kenntnis genommen! Danke.
"Ich bin aus Deutschland", sagte ich, als wäre dies eine ausreichende Erklärung für mein Interesse, eine Gerichtsverhandlung zu beobachten. "Die Leute dort finden das Schöffensystem sehr merkwürdig."
Die uniformierten Gerichtshilfen sahen mich mit einem Blick an, der im wesentlichen sagte "Ja, wir auch."
Ich war gewarnt worden, daß dies weitgehend langweilig sein würde, und so wollte ich sicher gehen, daß es tatsächlich nicht erlaubt war, ein Tablet zu benutzen.
"Auf keinen Fall."
Falls irgendwer gesagt hat, "Erheben Sie sich", dann hab ich das verpaßt, aber jedesmal, wenn plötzlich alle aufstanden, und ich mir nicht sicher war, ob ich als Beobachter das auch tun sollte, tat ich aus Respekt das Gleiche. Nicht, um auf Nummer Sicher zu gehen, sondern aus Achtung. Zum größten Teil war das der Effekt von Präsident Jeffersons Zitat an der Außenseite des Gerichtsgebäudes, kombiniert mit einer unbestreitbaren allgemeinen Atmosphäre von Respekt unter den Vollzugsbeamten und Richtern. Nicht Angst.
Nichts an dem Fall war interessant. Ein Mordfall, oder irgendwas mit Mafia, oh, das wäre aufregend gewesen. Aber hier ging es um den eher langweiligen Fall eines Mannes, der angeklagt war, eine Vollzugsbeamtin verbal und physisch angegriffen zu haben, nachdem diese ihn aufgefordert hatte, sein Handy auszuschalten. Nach Aussage der angegriffenen Beamtin hatte er sie geboxt und bespuckt.
Den Details des Falles zuzuhören war ausgesprochen langweilig. Die fehlenden Erklärungen für sein Verhalten fand ich etwas enttäuschend. Die Jurymitglieder taten mir leid, da sie acht Stunden am Tag, eine ganze Arbeitswoche lang, hier rumsaßen, und all diese Resourcen für jemanden verschwendet wurden, der keinerlei Respekt für irgendwas oder irgendwen zeigte, und der nicht nur ungeschoren davon kam, sondern auch noch seinen Spaß dran hatte, allen zur Last zu fallen.
Wieso verschwendet die Gesellschaft soviel Zeit und Aufwand an eine Person, die offensichtlich nicht willens und/oder fähig ist, zu lernen? Wieso tun wir das?
In Deutschland werden Fälle dieser Art weitgehend technisch und bürokratisch abgewickelt, praktisch abgestempelt. Es gäbe keine große Diskussion. Wieso veranstaltet die amerikanische Gesellschaft solch ein Trara wegen solch einen trivialen Vorfall?
Der bewegendste Moment war die Vernehmung eines Vollzugsbeamten mit 30 Jahren Berufserfahrung durch den Kläger; gefragt, ob dieser Fall ungewöhnlich sei, antwortete er, "Nicht im Geringsten. Die Beleidigungen, das erleben wir jeden Tag."
Vor einer Jury von Gleichen verurteilt zu werden ist ein sehr irritierendes Konzept für Deutsche, die allgemein glauben, daß Recht und Gerechtigkeit so kompliziert sind, daß sie am besten jenen überlassen werden sollten, die Jura studiert haben. "Sie sind der Richter", eine in alten amerikanischen Fernsehfilmen häufig benutzte Redeart, klingt sehr werkwürdig für deutsche Ohren, denen das Vertrauen und die Übung fehlt: In der fast tausendjährigen Geschichte der deutschen Nationen haben die Deutschen nur etwa 80 Jahre lang ein Schöffensystem ausprobiert. Glauben Deutsche, daß sie von jemanden regiert werden sollten, der klüger ist als sie? Der besser ist?
Können normale Menschen damit vertraut werden, ihre eigenen Angelegenheiten zu regeln? Kannst Du über Dich selbst bestimmen? Oder brauche ich einen Arzt um gesund zu bleiben oder einen Anwalt, um das Richtige zu tun?
Amerikaner kämpften einen Krieg für ihre Unabhängigkeit, und reagieren fast allergisch, wenn jemand versucht, ihnen vorzuschreiben, was sie zu tun haben. Natürlich trauen sie sich selbst zu, ihre eigenen Angelegenheiten zu regeln.
Nun, bin ich vertrauenswürdig? Kann ich mir selbst trauen? Kann ich anderen trauen? Am Ende dieses Verhandlungstages erinnerte der Richter alle Anwesenden, diesen Fall nicht zu diskutieren, bis ein Urteil erreicht sei, aber meine Anwesenheit beunruhigte niemanden.
Natürlich kann ich mich selbst beherrschen, und eine Diskussion dieses oder jedes anderen Themas eine Weile aufschieben. Wer sich nicht ausreichend beherrschen kann, landet früher oder später in Umständen, wo der Rest der Gesellschaft ihn kontrollieren wird, wie es dem Mann auf der Anklagebank geschah.
Um es zusammenzufassen, ja, das Ganze war ausgesprochen langweilig; was ich sah, war hauptsächlich "Prozedere". Allgemein kann man mehr über das amerikanische Rechtssystem lernen, indem man sich ein paar gute Filme ansieht (was Dean und ich taten), aber ich bin froh, die Gelegenheit genutzt zu haben, "zum Gericht zu gehen und zuzuschauen".
Und ich fand eine Antwort auf die eingangs gestellte Frage: Denn dies ist, was wir tun: Wir appellieren an die höheren Beweggründe im Menschen, und wenn jemand versagt, diesen gerecht zu werden, dann haben wir ihm wenigstens eine Chance dazu gegeben. Dies ist, was Amerikaner tun, oder zumindest versuchen.
Ein Freund fragte mich, ob Dean und ich uns streiten. Halb im Scherz fragte ich zurück, Du meinst wie beim Wrestling?
Nun, wir streiten uns gelegentlich, es ist lediglich nicht oft oder wichtig, und wir haben gelernt, uns nicht noch weiter zu erschöpfen, wenn wir müde sind. Es gibt ein paar Dinge, die besser laufen könnten. Ein wirklich wichtiges Monster von einem Problem hab ich jetzt gelöst.
Dean wollte ein Nickerchen machen, und ich freute mich drauf, neben ihm zu sitzen und zu lesen. Aber als ich zum Bett ging, fand ich Scratchie, den Kater, dort, mit allen Gliedern weit ausgestreckt. Keiner von uns stört ihn gern, und so war es klar, daß ich irgendwo anders sitzen würde.
Bereits geschwächt von gesundheitlichen Problemen während der letzten paar Wochen, war er jetzt den Tränen nahe.
"Ich bin immer im Weg.", sagte er.
Wir haben dies etliche Male diskutiert, und ich weiß einfach nicht, wie ich ihm beweisen soll, daß er keine Last ist, daß er mich nicht bremst, daß er nicht im Weg ist. Viele behinderte oder ältere Menschen sorgen sich, daß sie ihren Angehörigen zur Last fallen, und wie kann man jemandem beweisen, daß er keine Last ist? Seit dem letzten Mal, als wir uns an diesem Thema versuchten, ist mir aufgefallen, daß ich es genieße, wenn andere sagen, Du hast wen geheiratet?! Oh, wie hältst Du es mit ihm aus, Du mußt alle Hände voll zu tun haben!
Ich mag das. Ich find es einfach, mit ihm klarzukommen.
So, diesmal versuchte ich einfach, den Spieß umzudrehen. Indem ich zugab, daß Dean tatsächlich eine Last ist. Aber eine, über die ich sorgfältig nachgedacht hatte, bevor ich sie akzeptierte, eine, für die ich mich bewußt entschieden habe.
In einem alten DDR-Film geht es um einen Kommunisten und einen Priester, die sich ein Krankenhauszimmer teilen müssen, und die lernen, daß sie miteinander klarkommen müssen, um zu überleben. Der Titel basiert auf einem Bibelvers, Möge einer die Last des anderen tragen.
Tja, darum geht es, wir fallen uns gegenseitig zur Last. Aber wir entscheiden uns, ob wir uns miteinander abgeben wollen. Wir wohnen in einer engen Schlauchwohnung in Manhattan, wie könnten wir uns nicht nicht ständig im Weg sein? Ich gehe schnell, Dean geht langsam, natürlich hält er mich auf. Die Frage ist, kümmert es mich? Ist es wichtig? Wäre ich lieber allein, oder mit jemand anders zusammen?
Die Antworten auf diese Fragen lauten Nein, Nein, und Nein.
Darüber hinaus hab ich mit ihm nicht nur beide Hände voll, sondern beide Arme!
Eins meiner Lieblingsereignisse in New York ist die Feast de San Gennaro in Little Italy. Es ist hilfreich, alle Folgen von "Der Pate" gesehen zu haben.
Es gibt jede Menge gutes italienisches Essen, ein paar Prozessionen, eine Blutspendeaktion, und ich spende immer ein paar Dollar für behinderte Veteranen, man sieht massenhaft italienische und amerikanische Flaggen, und falls Du noch nie Cannoli — "Kannönchen" — gegessen hast, solltest Du das unbedingt hier nachholen, oder ein paar kaufen, und dann zuhause genießen — während Du "Der Pate" kuckst.
Dean und ich vergnügten uns damit, Hot Dogs zu essen und einen nahe gelegenen Buchladen zu besuchen und dann vor einer Kirche einen Cafe zu trinken, während wir einer Blasmusikkapelle zuhörten, die unter anderem die Titelmusik von "Der Pate" spielte. Ein paar Tage später kehrte ich zurück, um Photos zu schießen und eventuell einen Cafe zu genießen.
Aber diesmal stöberte ich ein paar Seitenstraße weiter herum, und an der Ecke Mott und Hester schien grad etwas interessantes stattgefunden zu haben. Etliche Leute hielten gemeinsam eine lange Stoffrolle, offensichtlich die Flagge der Vereinigten Staaten von Amerika — und was für eine! Und da Leute auf dem Dach des etwa sechsstöckigen Gebäudes Seile entfernten, lag die Vermutung nahe, daß die Flahne dort gehangen hatte. Es wär toll gewesen, davon ein Photo zu haben, aber dazu war ich hier zu spät. Ich machte ein paar Photos von dieser Szene, und fragte mich, was sie nun mit der aufgerollten Flagge vorhatten. Unwahrscheinlich, daß man die Flagge der Vereinigten Staaten aufgerollt wie einen Teppich transportieren würde.
Die Fahnenträger bewegten sich auf die mittlerweile gesperrte Straße, und als mir dämmerte, daß ich die volle Entfaltung der Fahne erleben würde, filmte ich ein Video, was sonst! Die gesamte Szenerie war atemberaubend, und herzzerreißend schön, genau an der Grenze zwischen Little Italy und Chinatown, mit Menschen aller Rassen, welche die Fahne hielten, und Passanten, die hinzueilten, als sie entfaltet wurde. Offensichtlich waren bei der Planung dieses Ereignisses keine Fahnenträger eingeteilt worden, wie man das wohl im durchorganisierten Deutschland tun würde; wer immer sich dies ausgedacht hatte, hatte sich einfach drauf verlassen, daß zufällige Passanten teilnehmen würden. Wer immer für dies verantwortlich war, wußte genau, daß er sich drauf verlassen konnte, daß dies ganz nach dem Geschmack des Durchschnitts-New-Yorkers war.
Nun, ich filmte, bis die sich entrollende Fahne auf meiner Höhe angekommen war, und niemand befand sich in meiner Nähe, der die Fahne halten könnte — niemand außer mir. Ich ließ die Kamera in meine Tasche gleiten, griff nach der Flagge, und jetzt war ich Teil des Ganzen.
Mehr und mehr Leute kamen hinzu, um die Fahne zu halten, und ich fragte mich vage, ob ich als Resident Alien berechtigt war, diese Flagge überhaupt halten zu dürfen. Aber in diesem Moment zählte tatsächlich nur, daß ich hier war, um die Lücke zu füllen, daß ich willens und fähig dazu war.
Oh, wir machten unsere Sache gut; wir lernten die Regeln von einander — zum Beispiel, daß die Flagge niemals den Boden berühren darf, und ein paar Leute stellten sicher, daß dies nicht passierte, indem unter die Fahne krochen. Eine katholische Priesterin sprach ein Gebet, über Patriotismus, darüber, daß jeder sein Land lieben soll, welches dies auch sei, und daß wir die Liebe anderer zu ihren Ländern respektieren. Ich erinnere mich kaum an die genauen Worte.
Nach dieser Rede war es an der Zeit, die Flagge korrekt zu falten. Um ein Stück Stoff dieser Größe dreizehnmal zu falten, muß man es zunächst sehr straff halten. Die ganze Aktion kam einer Teambuilding-Übung sehr nahe, fühlte sich nur sehr viel natürlicher und ausgelassener an.
Niemanden kümmerte es im geringsten, ob ich berechtigt war, teilzunehmen — ich tat es, und das war gut genug. In vielerlei Hinsicht ist es genau das, was diese Stadt und dieses Land so großartig machen. Wer willens ist, etwas beizutragen, ist willkommen und wird einen Platz finden.
Als die Flagge in ein kleiner werdendes Packet gefaltet wurde, entließ sie ihre Träger, und als sie endlich zu einem Dreieck gefaltet war, gaben wir uns einen Applaus. Spontaner Applaus in den Straßen Europas ist selten — dies war einer der Momente, in denen mir klar wurde, daß ich jetzt tatsächlich in einem neuen Land bin.
Nun hab ich also an einer Flaggenzeremonie teilgenommen, und nicht so eine niedliche von der Größe einer Karteikarte, sondern eine 100 Pfund schwere!
Vielleicht befand ich mich hier an der Front von etwas Wertvollem für die gesamte Menschheit. Niemand fragte, ob ich eine Erlaubnis hatte, daran teilzunehmen; meine Hilfe war willkommen und akzeptiert. Ich hatte das Gefühl, grad den letzten in einer Reihe langer Reihe inoffizieller Tests bestanden zu haben.
Wenn Du nicht das Glück hast, in New York zu leben — komm uns besuchen und gewinne Deinen Glauben an die Menschheit zurück.
Wieder zurück Zuhause, zeigte ich Dean meine Photos, und er machte ein Video davon, wie ich ihm von diesem Ereignis berichtete; die obrigen Bilder sind von diesem Video.
Und hier ist eines meiner Videos:
Der Tag, für den der Sturm angekündigt war, fing merkwürdig an — wir wurden von Vogelgezwitscher aufgeweckt. Normalerweise hören wir in unserer Wohnung im Winter kaum irgendwelche Geräusche, außer dem Opernsänger, der seine Tonleitern übt. Im Sommer, bei offenen Fenstern, hören wir mehr — Sirenen, jede Menge Hubschrauber, Singzikaden. Aber Vögel, im Winter, in unserem Hinterhof, wo es weder Stäucher mit Beeren noch Vogelhäuschen gibt? Die Vögel waren also ungewöhnlich, und das ging auch den ganzen Tag bis kurz vorm Sturm so weiter.
Nach Hurricane Sandy im Oktober hatten wir uns mit mehr Batterien, Notladegeräten, Kerzen, Stirnbandleuchten usw. bevorratet. Wir waren also auf den Blizzard gut vorbereitet.
Plantane Wie immer vor einem größeren Wetterereignis füllte ich diverse Töpfe und eine große Tonne, die sonst als Papierkorb dient, mit Wasser. Bisher ist bei uns noch nie die Wasserversorgung ausgefallen, während das in den meisten Hochhäusern bei Stromausfall praktisch die Regel ist — oberhalb des 10. Stockwerks hat dann tagelang niemand WC-Spülung oder Trinkwasser. Ich kenne Leute, die im 18. Stock und höher wohnen und die während Sandy richtig angesch waren.
Außerdem füllte ich unsere Lebensmittelvorräte auf. Nach Sandy gab es in unserer Nachbarschaft vereinzelt ein paar Läden, die trotz Stromausfalls weiter Lebensmittel verkauften, aber wer will schon bei Schneesturm raus
Wie auch immer, der Tag war aufregend, zumal wir den Nachrichtensender eingeschaltet hatten, um über aktuelle Entwicklungen auf dem Laufenden zu sein. Außer den beiden Stürmen, die sich hier im Nordosten zu einem "Nor'easter" (Nordostler, d.h. einem eisigen Supersturm) vereinigten, gab es ein anderes Ereignis, über welches pausenlos berichtet wurde, die Jagd auf einen Serien- und Polizistenmörder in den Bergen Californiens. Super. Was kann es besseres geben als einen nächtlichen Schneesturm mit Mörderjagd, wenn man frische Erdbeeren aus Floria hat, und am anderen Ende des Kontinents im Trockenen sitzt.
Die Tage und Nächte zuvor hatte es fast pausenlos geregnet, und dann plötzlich überfror die Nässe, und dann kam ein Schneesturm, der gut 30 Stunden dauerte, aber in Manhattan ist darüber hinaus nix schlimmes passiert. Hier ist ein Video, das ich hinterher im Hinterhof aufgenommen hab:
Am nächsten Tag waren die Straßen gegen Mittag bereits frei. Die Gehwege in unserer Nachbarschaft waren größtenteils von der Eis-und Schneeschicht freigehackt, da es hier praktisch nahtlos überall Geschäfte und Restaurants gibt: Die Inhaber sind dafür verantwortlich, daß der Gehweg vor dem Geschäft frei ist, und da viele Geschäfte nur 3-5m breit sind, ist das leicht zu schaffen. In Gegenden ohne Geschäfte und in Parks sieht das anders aus, da ist die Stadtverwaltung zuständig, und die stellen Leute ein, die anderswo keine Chance haben, weil ihnen Höflichkeit, Pünktlichkeit, Gründlichkeit, und Gewaltlosigkeit fehlen. Daher sind Parks nach Schneefall o.ä. oft einfach gesperrt. Inzwischen sind die Anwohner westlich von Tompkins Square Park so davon genervt, daß sie einfach selber die Wege im Park streuen, während die Parkangestellten im Warmen eine 8-Stunden-Kaffeepause machen. Ich hab mich mit einer Anwohnerin unterhalten, die auf eigene Kosten mit einem Eimer Sand durch den Park ging und streute. Sie bekam von allen Seiten "Thank you!" zu hören.
In Ray's Candy Store vor dem Park kaufte ich mir für 1 Dollar einen heißen Cafe, und setzte meinen Spaziergang fort. Ich unterhielt mich mit ein paar Leuten, und allgemein waren die Leute froh, daß ihre Kinder in Manhattan mal "rodeln" und lustige Skulpturen aus Schnee bauen konnten. Ich sah ein paar winzige Schneemänner, aber hauptsächlich einfallsreicheres wie Schneehaie, die Pyramiden von Gisee, und die Spynx. Auffällig war, daß ausschließlich Weiße und Ostasiaten sich im Schnee kreativ ausdrückten. Obwohl Latinos und Schwarze hier die Mehrheit sind, macht Winter ihnen keinen Spaß. Soll mir recht sein.
Fast den ganzen Tag über war es sonnig, also bin ich nach dem Mittagessen nochmal rausgegangen, um mehr Photos zu machen.
Die Fahne im Park war auf Halbmast, da der frühere Bürgermeister von New York, Koch, gestorben war. Ich glaube, am gleichen Tag wie Opa.
Was für ein Vogel ist das? Später kam ich dann auch dahinter, wieso wir Vögel gehört hatten: Zwischen dem Fensterbrett und der Klimaanlage ist ein Spalt, der grad groß genug ist, um einer Bande Spatzen Unterschlupf vor dem Blizzard zu gewähren: Es ist trocken, windgeschützt, und ein bissel Wärme dringt auch nach draußen. Die Vögel wußten sicher, daß da irgendwas im Anmarsch war. Klimaanlage
Ich sitze hier im Keller.
Bei Macy's, genaugenommen. Und ich genieße wundervolle Ben & Jerry-Eiscreme.
Mein Freund wollte wissen, ob wir Eiscreme wie diese in der DDR hatten, und in der Tat befindet sich die beste Eisdiele Ostdeutschlands in Burg Stargard. Es gibt dort eine legendäre Eisdiele, die nicht nur den Kommunismus überlebte, sondern auch die Raubtiere, die anschließend über alles herfielen. Wie auch immer, der springende Punkt hier ist, daß diese Eisdiele nicht expandieren und ihre wundervollen Rezepte in ganz Deutschland verbreiten konnte, wie sie das in einer freien Marktwirtschaft verdient hätte, wo die beste Idee tatsächlich eine Chance hat, sich dem Wettbewerb zu stellen und zu gewinnen.
Es machte mir Spaß, bei Macy's zu shoppen, und ja, dies ist beeindruckend, und dennoch bin ich etwas traurig, mit einem leichten Anflug von Bitterkeit. Menschen verdienen es, ihr Leben zu genießen, und das schließt den käuflichen Erwerb von diversen Spaßartikeln für ihr hart erarbeitetes Geld ein. Arbeiten ohne in der Lage zu sein, zu kaufen, was man sich erträumt, ist Sklaverei. Und dennoch ist genau das, was Generationen von Menschen unter dem kommunistischen Regime widerfahren ist — arbeiten, aber nicht konsumieren oder reisen.
Bei Ben & Jerry's steckten wir unsere Köpfe durch ein Papplogo, und ein netter Verkäufer bot an, uns zu photographieren. ich mußte an die Verkaufer in ostdeutschen Läden denken, die berüchtigt waren für ihre frustrierte, feindseelige Einstellung. Als Konsument blieb einem nur Galgenhumor.
Ich seh mir gern gute Designs und hübsches Geschirr an. Es ist mir egal, ob ich diese Dinge weder brauche noch sie mir leisten kann. Was ist schlimmer — ein Leben lang arbeiten und niemals nach Paris fahren dürfen, oder in einer großen Welt leben, in der jeder für sich selbst herausfinden muß, wie er mit seiner Freiheit umgeht? Wie man Entscheidungen trifft?
Scratchie und Dean machen ein Nickerchen in unserem Bett. Ich habe sie eine Weile beobachtet, es sieht so putzig aus, wie sie beide auf der Seite liegen, in fast der gleichen Position.
Mir ist nach Cafe, aber ich ziehe es vor, zu warten, bis sie wach sind. Dean würde nicht aufwachen, wenn ich den Küchenschrank öffne, aber der Kater wäre vermutlich sofort auf den Beinen; da könnte ja irgendwas für ihn dabei herausspringen. Es hat fast ein halbes Jahr gedauert, seit ich zu meinen beiden Jungen gezogen bin, bis Scratchie ruhig im Bett blieb, wenn Dean oder ich hinzukamen.
Jetzt will ich sie nicht stören, wenn sie so friedlich daliegen. Ich weiß, wie sehr Dean das genießt.
Mein Cafe muß warten.
Bevor ich richtig da bin, fühle ich, wie Scratchie aufs Bett springt, und insgeheim bettel ich um nur noch ein paar Minuten Schlaf. Woher weiß der kleine Racker, daß ich aus dem Tiefschlaf aufgetaucht bin?Und so fängt ein neuer Tag für uns an, Schnurhaare streichen über mein Gesicht, und kurz darauf folgt eine sanfte, pelzige Tatze, und wenn ich jetzt nicht spure, wird der Säbelzahntiger seine Säbelzähne benutzen. Das Raubtier will gefüttert werden.
Ich öffne meine Augen und hinter dem Tiger auf dem Fensterbrett sehe ich einen blauen Streifen Himmel.