Ich fühle mich sehr unbehaglich damit, wie politische Ideologen versuchen, Menschen zu zwingen, sich "zu benehmen" unter der Annahme, daß "Menschen gezwungen werden müssen, gut zu sein", weil wir uns sonst zu "Höhlenmenschen, die sich gegenseitig die Schädel einschlagen", zurückentwickeln würden.
Die Idee, daß Menschen von Natur aus schlecht und sündig sind, ist sehr alt. Das Alte Testament ist auf dieser Idee aufgebaut, Hobbes erklärte Menschen zu bösen Wölfen, und eine der Grundideen Freuds ist, daß Zivilisation aus dem Bedürfnis heraus geschaffen wurde, die zerstörerischen Tendenzen des Menschen — einschließlich des legendären 'Todestriebs' — zu zähmen, von dem ich glaube, daß ihn nur fiktive Lemminge in Computerspielen haben.
Aber Zivilisation entwickelte sich genauso wenig, um menschliche Instinkte zu bekämpfen, wie Termiten oder Ameisen ihre eigenen Kolonien und sogar Landwirtschaften aufbauen, um die schrecklichen Todestriebe der Ameisen zu bekämpfen und den Rückfall zur Höhlen-Ameise zu verhindern. Wir Menschen übernahmen die Arbeitsteilung aus demselben Grund, aus dem Ameisen es taten — weil die Organisation unseres gemeinsamen Lebens eine ziemlich kluge Sache ist.
In der Vergangenheit zeigten viele Psychologen, wie schlecht Menschen einander behandeln können — denken Sie an das Gefängnisexperiment von Stanford (Stanford Prison Experiment), das Milgram-Experiment, verschiedene Spieltheorie-Experimente, oder sogar die gewinnbringende Version der Pop-Kultur, die Big Brother Reality-TV-Shows. Ich bin von solchen Experimentieranordnungen nicht beeindruckt. Gefängnisse und TV-Shows sind keine artgerechten menschlichen Umgebungen. Sie sind extreme Situationen, die nur zeigen, wie extrem Menschen handeln können. Was für ein wissenschaftlicher Durchbruch ist es, zehn Ratten in einen Käfig zu stecken und um ein winziges Stück Käse kämpfen zu lassen? Kann irgendjemand irgendetwas von dieser Art Psychologie lernen?
Sogar die grundlegende Annahme, daß Mangel normal und natürlich ist, und daß wir um unsere Resourcen kämpfen müssen, ist ein Trugschluß — fragen Sie ein Kind, ob es gern "die Reise nach Jerusalem" (auch bekannt als "Stuhltanz") spielt. Keine Gruppe von Kindern würde spielen wollen "Laßt uns rausfinden, wer den einzigen Platz im Rettungsboot bekommt, während alle anderen mit der Titanic untergehen", außer wenn ein leicht sadistischer Erwachsener sie dazu zwingt. Kinder stellen gewöhnlich Regeln für ihre Spiele auf, die von allen als "fair" akzeptiert werden, so daß jeder das Spiel genießen kann. Sie berücksichtigen, daß einige Kinder schwächer sind und einen Vorsprung bekommen — nicht nur, um die Kleineren zu schützen und ihnen zu helfen, sondern auch, um den älteren und stärkeren Kindern eine echte Herausforderung zu bieten. Ein Sieg bedeutet sehr wenig, wenn man nicht das Gefühl hat, ihn verdient zu haben.
Ein Experiment zur menschlichen Natur, welches mich mehr beeindruckt als alles, was je einem Berufspsychologe einfiel, ist die Free Hugs Campaign: Eine Person steht auf einem öffentlichen Platz und hält ein Schild hoch mit der Aufschrift: "Kostenlose Umarmungen". Das ist eine ziemlich natürliche menschliche Umgebung, und eine sehr menschliche Herausforderung. Wo immer dieses Experiment damit endet, daß Wildfremde sich einander umarmen, einfach, weil es sich gut anfühlt, haben wir Grund zur Annahme, daß die Leute unter halbwegs artgerechten Bedingungen leben.